Ist der Bio-Bauer der bessere Mensch?
Kaufst du gerne Bio? Oder ist dir das egal? Kaufst du gerne regional und saisonal? Oder ist dir auch das egal?
Ich habe manchmal das Gefühl, Leute wach rütteln zu wollen. Nicht, das ich finde, Bio sei nicht der richtige Weg. Oder schlimmer, Bio sei blöd. Aber nur weil manchmal auch hier nur die Hälfte erzählt wird. Nur bis dahin, wo’s richtig gut klingt.
Ich habe mich sehr bewusst dazu entschieden, dass ich die Ausbildung zur Landwirtin in der Vertiefung Bio-Landbau abschliessen möchte. Ich bin überzeugt, dass kein Weg daran vorbei führt in der Landwirtschaft in Zusammenarbeit MIT der Natur zu Arbeiten und nicht dagegen. Doch das klingt wahnsinnig ambitioniert, fast schon utopisch. Glaub mir, ich bin der letzte, der sagt, ich will alles um mich herum zerstören, damit ich etwas wachsen lassen kann. Und glaub mir, das sagt kein Bauer. Wirklich keiner.
Aber das mit der Landwirtschaft und unseren Lebensmittel ist manchmal auch wirklich nicht so eine erheiternde Angelegenheit, wie das Huhn aus der Migros, dass frischfröhlich in die Ladenfiliale wackelt, um dort sein Ei in den Eierkarton zu legen. Mal ganz ehrlich, wer hat sich so eine romantisierte Kampagne überhaupt ausgedacht? Herzig ist’s ja schon. Unzähliges ist herzig auf dem Bauernhof. Aber vieles auch wirklich körperlich mega fordernd und oft auch mental belastend.
Aber zurück zu Bio - ich bin auch nach der Ausbildung zur Bio-Landwirtin noch Feuer und Flamme für Bio. Aber für Bio und die gesamte Wahrheit. Und auch da schwingen ein paar auch etwas weniger schöne Sachen mit. Und wenn mich diese Ausbildung etwas gelernt hat, dann ist es das: Die Landwirtschaft ist voller Kompromisse. Nur gute Entscheide gibt es nicht. Nur vielleicht etwas bessere und weniger schlimme Entscheide. Das scheint jetzt vielleicht ein wenig philosophisch. Ist es auch. Aber ich möchte dir anhand eines praktischen Beispiels zeigen, was ich damit meine:
Im Biolandbau ist es untersagt, Herbizide einzusetzen. Herbizide sind synthetisch hergestellte Mittel, um ausgewählte Pflanzen zu töten. Was die eine Pflanze tötet, zum Beispiel das Unkraut, lässt die andere Pflanze (im Idealfall deine Kulturpflanze) unbeschädigt davonkommen.
Kurzer Ausflug - warum wollen wir Unkraut nicht? Unkraut ist nicht grundsätzlich schlecht. Aber sobald es Überhand nimmt, stiehlt es der Kulturpflanze, was sie braucht zum Wachsen: also Wasser, Nährstoffe, Licht… Im schlechtesten Szenario war alles für die Katze. Deine Kultur gedeiht nicht = keine Ernte = Unkraut hat den Kampf um Nährstoffe gewonnen. Das ist blöd für alle, ausser das Unkraut selbst.
Zurück zu meinem praktischen Beispiel mit dem Herbizid. Sobald eine Kultur auf dem Feld angebaut werden will, wird immer noch gerne zum Pflug gegriffen. Das Pflügen ist ein kraftintensives Unterfangen für den Traktor. Kraftintensiv geht eigentlich immer einher mit hohem Kraftstoffverbrauch. Der Pflug wendet den Boden. Das vorherig da Gewesene, oft Gras, wird unter den Boden gewendet. Dabei wird das Bodengefüge jedoch zerstört. Du musst dir den Boden als etwas sehr Lebendiges vorstellen. Darin tummeln sich unzählige, super wichtige Bodelebewesen, die den Boden erst so richtig fruchtbar machen. Pflügen ist die gängige Bio-Methode. Es macht reinen Tisch von der Vorkultur. Kein Unkraut, keine Wiese, kein Nix mehr. Quasi ein weisses Blatt, das neu bemalt werden kann. Doch zum Opfer fallen viele Regenwürmer und das Bodenmilieu und deren Bewohner wird wortwörtlich zu Kopf gestellt. Und dann noch die Sache mit dem hohen Dieselverbrauch.
Aus der regenerativen Landwirtschaft, kommen neue Ansätze zur Anwendung, die die Bodenschonung in den Vordergrund stellt. Der Boden ist unser aller wichtigstes Gut. Er soll bestmöglich behandelt werden. So wird bei der regenerativen Landwirtschaft so oft wie möglich den Pflug weggelassen. Stattdessen wird zum Beispiel mit Direktsaat, den Samen in die bewachsene Wiese gedrillt. Der Boden bleibt wo er ist und deren Bewohner auch. Hinterher, im selben Maschinendurchgang wird ein Herbizid gespritzt. Eines, dass das Gras hinterher sterben lässt. Zurück bleiben die abgestorbenen Pflanzenresten, die wiederum für die Humusbildung dient. Die Kulturpflanze kann unter den abgestorbenen Pflanzenresten wunderbar keimen, bevor sie aus dem Acker hervorwächst. Eine wunderbare Sache für den Boden. Aber halt nur mit Herbizid möglich.
Siehst du das Dilemma? Ich glaube beide Methoden versuchen, der Kulturpflanze einen guten Start ins Leben zu schenken. Der eine benutzt kein Herbizid, der andere schont den Boden. Beide machen in dem Sinne etwas Gutes. Aber ich denke; hier ist weder der eine noch der andere der Bessere. Ich glaube wichtig ist es immer, als Landwirt sein bestmögliches zu geben. Und auch dies, kann je nach Standort unterschiedlich sein. Es ist wie glaub überall im Leben, ein grosser Kompromiss. Es ist ein kleines Beispiel. Aber ich finde, es ist ein Wichtiges. Es gibt inzwischen viele tolle Methoden, auch in der konventionellen Landwirtschaft. Da wäre es falsch zu sagen, nur Bio ist richtig. So ist jedenfalls meine Meinung als Bio-Landwirtin. Es gibt noch viele weitere Beispiele. Willst du von weiten Dilemmas im Biolandbau erfahren?
Weisst du, was für regionale und saisonale Produkte spricht?
Grundsätzlich sind saisonale Produkte auch regionale Produkte. In der Schweiz geniessen wir vier unterschiedlichste Jahreszeiten. Diese bringen klimatische Unterschiede. So sind bei uns Früchte und Gemüse saisonal geprägt. Einerseits ist es sinnvoll, die einheimischen Produkte einzukaufen - es verspricht kurze Transportwege. Die Landwirtschaft in der Schweiz ist strengen Richtlinien und Kontrollen ausgesetzt. Egal welches Label man trägt. Auch wenn Landwirte gerne sich dagegen auflegen, eigentlich sind diese auch für etwas gut. Und zwar, um die Qualität zu sichern. Und Betrügerei zu verhindern. Meist sind die Vorschriften unter vergleichbaren Label Bezeichnungen aus dem Ausland lascher. Vom ganzen Labelschwindel abgesehen, sind gute Arbeitsbedingungen und faire Bezahlungen im Ausland ziemlich rar. Hinzukommt der Wasserverbrauch für gewisse Kulturen. Wenn wir Lebensmittel mit hohem Wasserverbrauch aus dem Ausland beziehen, entziehen wir den jeweiligen Ländern Wasser, welches der inländischen Bevölkerung nicht mehr zur Verfügung stehen. Dies sehe ich als hoch problematisch.
Manchmal sind die Lösungen für solche Probleme ganz einfach mit Geduld lösbar. Wenn möglich, kaufe doch ein paar Wochen später deine Spargeln. Dann kommen sie nämlich nicht per Flugzeug vom anderen Ende der Welt, sondern von uns Schweizer Bauern. Neben der tieferen CO2-Belastung sind sie garantiert auch frischer. Und warte doch bis im Mai, bis es auch Schweizer Erdbeeren in den Ladenregalen angeboten werden. Unter der Sonne gereift, schmecken diese viel intensiver und haben auch noch mehr Vitamine. Oder kaufe noch besser, gleich beim Bauern deines Vertrauens deine Lebensmittel ein. Da weisst du, mit welcher Betriebsstrategie er unterwegs ist, oder du kannst ihn/sie danach fragen. Und zugleich fliesst das Geld ohne Zwischenhandel direkt zum Produzenten und du unterstützt und förderst damit die Landwirtschaft aus deiner Region. Damit stärkst du ihren Betriebszweig und unterstützt dabei, dass es auch zukünftig Lebensmittel aus der Region gibt.
Interessiert dich für importierte Lebensmittel und deren Problematik? Dann habe ich hier einen Bericht zum Doku-Film “Europa’s dreckige Ernte”: https://www.geo.de/natur/nachhaltigkeit/19227-rtkl-katastrophale-zustaende-warum-unser-gemuese-so-guenstig-ist-fuenf